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Home Diskussionen Lohndumping und Leiharbeit im Rettungsdienst

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„Aus Liebe zum Menschen“ ist der Leitspruch des Roten Kreuzes, die Johanniter schreiben sich „Aus Liebe zum Leben“ auf die Fahnen und bei den Maltesern heißt es „Weil Nähe zählt…“. Auch der ASB wirbt mit Sprüchen wie „Wir helfen hier und jetzt“ oder „Aktiv für Menschen“.

Hilfsorganisationen präsentieren sich in der Öffentlichkeit gerne als soziale und uneigennützige Vereinigungen, die aus reiner Nächstenliebe agieren. Gerne wird hier natürlich der Rettungsdienst als Werbeträger herangezogen. Macht einfach ein tolles Bild in einem Werbeclip, so ein freundlich grinsender, rausgeputzter Rettungsassistent mit ’nem fröhlich glucksenden Neugeborenen im Arm!

Generell mag das ja auch stimmen, dass sich diese Organisationen der „Hilfe für Menschen in Not“ verschrieben haben. Dennoch sorgen gewisse Machenschaften einiger Institutionen seit geraumer Zeit mehr und mehr für Negativschlagzeilen, insbesondere im Hinblick auf den Umgang mit dem eigenen Personal!

Es muss – wie überall – an allen Ecken und Enden gespart werden. Im Rettungsdienst, dessen Mitarbeiter ja ohnehin noch nie zu den Topverdienern unserer Gesellschaft gehörten, ist es wenig Erfolgsversprechend günstigere Infusionssysteme auf den Fahrzeugen vorzuhalten. Klar, hier müssen die Gehälter gedrückt werden um langfristig merkliche Einsparungen zu erzielen…

Problem ist nur, dass die Gehälter oft (gottseidank!) an Tarifverträge gebunden sind. Außerdem sind beispielsweise die Johanniter und die Malteser kirchliche Einrichtungen, die sich auch an gewisse Grundsätze halten müssen.

Trotzdem müssen die Einsparungen her und da beginnen die „krummen Geschichten“…


 

Der ASB geriet Anfang diesen Jahres in den Fokus der Medien, als Zollfahnder der Finanzkontrolle Schwarzarbeit die Geschäftsräume durchsuchten und herauskam, wie dort mit Auszubildenden und Praktikanten umgegangen wird. (Bericht: Ausbeutung von RA-Praktikanten beim ASB München?)

Die Malteser (als kirchliche Organisation) stehen, dank einiger Negativschlagzeilen, mittlerweile auch nicht gerade viel besser da und langsam aber sicher geraten auch fast alle anderen Hilfsorganisationen irgendwie in Erklärungsnot.

Die Politik ist daran mit Sicherheit nicht ganz unschuldig. In Zeiten, in denen man plant, den Rettungsdienst komplett dem Wettbewerb zu unterwerfen und europaweit auszuschreiben, um so viel Geld wie möglich zu sparen, bleibt den Organisationen ja gar nichts anderes mehr übrig, als irgendwie zu versuchen billiger zu werden! Ein gutes Beispiel dafür sind mit Sicherheit die Vorfälle in Sachsen Anfang diesen Jahres: Initiative „Rettet den Rettungsdienst“.

Was viele schon seit langer Zeit vorhergesagt haben, wird nun langsam aber sicher Realität. Derartige Problematiken sind längst nicht mehr nur lokal begrenzt, sondern sorgen im ganzen Land für Unmut. Die einen merken mehr davon, die anderen (noch) weniger.

Im September 2012 berichtete die Sendung plusminus (ARD) mit dem Beitrag „Unbarmherzige Samariter“ über die Machenschaften einiger Organisationen: „Lohndumping“ und „Leiharbeit“ sind im deutschen Rettungsdienst offensichtlich keine Fremdworte mehr! Es werden Tarifverträge (sofern überhaupt vorhanden) ausgehebelt und Mitarbeiter auf teils doch sehr fragwürdige Art und Weise um ihren Lohn gebracht, oder gar ganz „entsorgt“. Bei den Maltesern und dem DRK wurden sogar Tochterfirmen gegründet, die Leiharbeiter anstellen und – für die exakt gleiche Arbeit wie das Stammpersonal – bis zu ein Drittel weniger Lohn bezahlen.

 

 

Mittlerweile wurde das Thema auch von anderen Medien aufgegriffen und es wird von Tag zu Tag schlimmer, was sich in unserem Gesundheitssystem so tut. Immer wieder finden die Organisationen neue Wege um ihre Sparpläne durchzusetzen. Ein weiteres Video, das im BR ausgestrahlt wurde, nimmt erneut die Malteser in die Mangel.

 

 

Meine persönliche Meinung dazu??

Meiner Meinung nach sollte man sich heutzutage durchaus ernsthaft die Frage stellen, warum man im Rettungsdienst arbeitet. Des Geldes wegen wird’s wohl kaum einer machen! Viele sehen ihren Beruf eher als Berufung an und stellen die Bezahlung hinten an. Sie engagieren sich neben ihrer hauptberuflichen Arbeit auch ehrenamtlich und leisten ohne wenn und aber einen unverzichtbaren Dienst!

Doch wie weit reicht diese Bereitschaft? Da wird gekürzt, hier gibt’s kein Geld mehr, dort muss sich was ändern…

Wir haben einen sehr verantwortungsvollen Beruf, in dem es – so ausgelutscht es sich auch anhören mag – um Menschenleben geht. Wir fahren keine Schweinehälften durch die Gegend, sondern geben jeden einzelnen Tag da draußen unser Bestes um – wie sagt es das Gesetz so schön – „Menschenleben zu retten und schwere, gesundheitliche Schäden abzuwenden“.

Ich bin der Meinung, dass jeder einzelne von uns „Sankafahrern“ sich Gedanken machen sollte, wie weit er persönlich kompromissbereit ist. Würdet ihr das gleiche Engagement auch für 30% weniger Lohn an den Tag legen? Ist die uns übertragene Verantwortung nicht vielleicht so gar ein echt fieses Druckmittel? – „Da draußen sterben die Leute, wenn wir nicht kommen!“

Müssen Menschen des Geldes wegen sterben? Ja, das müssen sie. Und zwar überall auf der Welt! Politisch gesehen zählt einzig und allein der Betrag auf dem Papier. Da wird so lange weiter gemacht, bis die Zahlen alle wieder im grünen Bereich sind. Aber wir, die unmittelbar betroffen sind, sollen unser Privatleben an den Nagel hängen und für nen Appel und ’n Ei arbeiten gehen, weil sonst ja Menschen unnötig sterben müssen…

Bereits jetzt klagt man deutschlandweit über akuten Notarztmangel. Bereits jetzt arbeiten Rettungssanitäter und -assistenten im ganzen Land teilweise bis zu 60 Stunden in der Woche, in der Nacht und an Feiertagen, und verdienen teils nur ähnlich viel Geld wie eine Halbtags-Putzfrau beim Discounter. Bereits jetzt kalkulieren einige Organisationen mit einem Fünftel an ehrenamtlich (also unbezahlt) geleisteter Arbeit im Rettungsdienst. Und bereits heute wird einem längst überfälligen Notfallsanitätergesetz ein großer Stein in den Weg geworfen, weil ja ganz dringend noch mehr Geld gespart werden muss!

Da müssen die Kinder an Weihnachten alleine vor dem Christbaum sitzen, weil der Papi an Heiligabend schon die fünfte 12 Stunden Nachtschicht in Folge fährt und trotzdem mit seinem Geld kaum über die Runden kommt, obwohl sein Stundenkonto schon fast 200 Plus aufweist!

Eine Message, die wir meiner Meinung nach endlich einmal allen(!) Beteiligten klar machen sollten, stand auch schon auf einem Banner bei der Aktion „Sachsen retten“:

notfallrettung

 

Sollen wir noch mehr arbeiten, für noch weniger Geld??

 

Was denkt ihr??

Eure Meinung zu diesem heißen Thema interessiert mich persönlich wirklich brennend! Was sind eure Erfahrungen? Wie denkt ihr über die aktuelle Entwicklung? Wie viel seid ihr bereit zu leisten und habt ihr vielleicht auch noch eine Rückfallebene, einen Plan B?

 


Lohndumping und Leiharbeit im Rettungsdienst, 4.3 out of 5 based on 16 ratings

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