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Home Diskussionen Referentenentwurf zum Notfallsanitätergesetz – Chancen und Befürchtungen

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Hier ist er nun: der Referentenentwurf zur Novellierung des Rettungsassistentengesetzes, welches bereits bei seinem Inkrafttreten im Jahr 1989 viele Mängel aufwies und uns bis heute manchmal das (Berufs-)Leben schwer macht. Über 15 Jahre hatte es damals gedauert, bis man sich auf das Rettungsassistentengesetz geeinigt hatte, viele Anforderungen und Wünsche der Beteiligten mussten erfüllt werden – am wenigsten jedoch ging es dabei um die Wünsche und Anforderungen derjenigen, die fortan nach diesem Gesetz ausgebildet wurden. Recht schnell musste man danach aber erkennen, dass die Mängel des Gesetzes den angestrebten Nutzen – dem Notarzt einen gut ausgebildeten Helfer an die Seite zu stellen und den Rettungsdienst zu professionalisieren – schmälerten. Kritisiert wurde zudem, dass zuvor gemachte Zusagen bestimmter Ausbildungsträger nicht eingehalten wurden. So sollten eigentlich damals schon die Auszubildenden kein Schulgeld bezahlen müssen und während ihrer praktischen Ausbildung im 2. Lehrjahr eine Ausbildungsvergütung erhalten. Mangels eindeutiger Regelung boten dies letztlich aber nur wenige Ausbildungsträger.


So schlug letztlich das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) in Zusammenarbeit mit unabhängigen Sachverständigen beispielsweise vor, dass die Finanzierung des Lehrgangs nach §4 RettAssG von den Ländern übernommen, die Finanzierung der praktischen Tätigkeit über die Benutzerentgelte abgewickelt und tariflich abgesichert, sowie die Überleitung zum Rettungsassistenten gesetzlich erschwert wird, indem für die Anrechnung nach §8 Abs. 2 RettAssG eine mehrjährige Tätigkeit als Rettungssanitäter nachzuweisen ist.

Jedoch erst im Jahr 2004 befasste sich dann die Ständige Konferenz für den Rettungsdienst mit einer Überarbeitung des inzwischen von Vielen als unzulänglich betrachteten Rettungsassistentengesetzes und veröffentlichte im Jahr 2005 ihr „Eckpunktepapier für eine Novellierung des Rettungsassistentengesetzes“. Daran beteiligt waren Vertreter der Hilfsorganisationen, der Berufsfeuerwehren, der Bundesärztekammer, den Notarztvereinigungen, der Gewerkschaft ver.di, des Länderausschusses und der Krankenkassen. Das Papier enthielt unter anderem folgende Punkte, welche sich nun teilweise auch im aktuellen Referentenentwurf wiederfinden:

  • Prüfung einer neuen Berufsbezeichnung, um Konfusionen hinsichtlich der unterschiedlichen Qualifikationsstufen zu vermeiden
  • Ausbildungsdauer: 3 Jahre in Vollzeit (4.600 Stunden)
  • Anrechnung gleichwertiger Ausbildungen auf die Ausbildungsdauer insbesondere für Angehörige von Medizinalfachberufen und Feuerwehrangehörigen
  • Rettungsassistenten dürfen nach Aufbauschulung und bestandener Prüfung die neue Berufsbezeichnung führen
  • Refinanzierung der Ausbildungskosten über die Entgelte der Einrichtungen (Krankenkassen, Pflegekassen, Selbstzahler)

Die im Eckpunktepapier formulierten Ausbildungsziele jedoch lagen deutlich unter dem, was nun im aktuellen Referentenentwurf zu finden ist:

  • Basisuntersuchung und Diagnostik der vitalen Funktionen im Rettungsdienst
  • Durchführung der erforderlichen lebensrettenden Sofortmaßnahmen im Rettungsdienst
  • Monitoring der vitalen Funktionen
  • Betreuende Maßnahmen
  • Herstellung und Aufrechterhaltung der Transportfähigkeit und Durchführung des Transportes
  • Rettungsdienstorganisation und –verwaltung

 

Es sollte jedoch noch einmal über ein Jahr dauern, bis das Thema nach einer kleinen Anfrage des Bundestagsabgeordneten Jens Ackermann (FDP) und nach der Eingabe einer Petition zur Novellierung des Rettungsassistentengesetzes der FDP in den Fokus der Politik rückte. Nach einer Anhörung vor dem Gesundheitsausschuss im Juli 2007, der anschließenden Einberufung einer „Expertengruppe“, die im April 2008 ihre Arbeit aufnahm und an welcher nun auch die beiden Berufsverbände DBRD und BVRD beteiligt waren, sowie einigen Arbeitssitzungen und nicht immer einfachen Beratungen später war es dann so weit: ein mehrheitlich beschlossenes Ausbildungsziel konnte als Grundlage für den Referentenentwurf dienen.
Erwartungsgemäß konnten sich nicht alle Beteiligten mit den formulierten Ausbildungszielen anfreunden, so störten sich Vertreter der Ärzteschaft insbesondere an folgender Formulierung:

Durchführen angemessener medizinischer Maßnahmen der Erstversorgung bei Patientinnen und Patienten im Rettungseinsatz und dabei Anwenden von in der Ausbildung
erlernten und beherrschten, auch invasiven Maßnahmen, um bei Vorliegen eines lebensgefährlichen Zustandes oder bei zu befürchtenden wesentlichen Folgeschäden
einer Verschlechterung der Situation der Patientinnen oder Patienten bis zum Eintreffen des Notarztes oder dem Beginn einer weiteren ärztlichen Versorgung vorzubeugen

Erfreulicherweise hielt das Bundesministerium für Gesundheit die mehrheitlich beschlossene Ausbildungszielbeschreibung aufrecht und nahm keine weitere Änderung an dieser vor. Die Arbeit am Referentenentwurf konnte beginnen.

Am 25.05.2012 – über 7 Jahre, nachdem die Ständige Konferenz für den Rettungsdienst ihr Eckpunktepapier zur Novellierung des Rettungsassistentengesetzes veröffentlicht hatte – wurde der lange und mit Spannung erwartete Referentenentwurf zum Gesetz über den Beruf der Notfallsanitäterin und des NotfallsanitätersNotfallsanitätergesetz (NotSanG) – veröffentlicht.

Bereits im Vorfeld gab es zahlreiche Diskussionen und Spekulationen unter Rettungsfachpersonal über eine mögliche neue Berufsbezeichnung, die übrigens auch durch das BMG ausdrücklich gewünscht war, um mögliche Überleitungsregelungen, Regelkompetenzen und finanzielle Folgen. Einig war man sich darüber, dass das Rettungsassistentengesetz nicht mehr zeitgemäß und die Berufsbezeichnung „Rettungsassistent“ irreführend war. Eine bessere Ausbildung und eine damit verbundene erweiterte Regelausbildungsdauer von 3 Jahren wurde ebenso begrüßt und als notwendig erachtet, wie das Vorhaben, die Zugangsvoraussetzungen zum Beruf anzuheben. Der Beruf sollte gerade auch aus Sicht der Betroffenen aufgewertet werden.
Nun also wurde der Gesetzentwurf auf den Seiten des DBRD veröffentlicht und die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. Auf den Online-Seiten der Zeitschrift RETTUNGSDIENST sowie dem Rettungsmagazin wurden alsbald Kommentare verfasst, die unserem Berufsstand nicht würdig waren und die bei mir und anderen berufspolitisch engagierten Kollegen nur Kopfschütteln hervorriefen. Während die Einen den Entwurf als „sehr gut gelungen“ bezeichnen und sich über die sich bei einem Beschluss des Gesetzes bietenden Veränderungen freuen, schütten die Anderen nur Kritik darüber aus. Sehr ärgerlich ist dabei der Umstand, dass einige derjenigen, welche den Gesetzentwurf nun mit teils drastischen Worten kritisieren, diesen offensichtlich nicht vollständig gelesen, oder aber ihn nicht verstanden haben. Ein „Aufhänger“ ist auch immer wieder die neue Berufsbezeichnung. Die Wenigsten wissen dabei, dass durch das BMG eigene Vorschläge unterbreitet wurden, die sich dem Lateinischen bedienten. So hätte die zukünftige Berufsbezeichnung durchaus auch „Salvator“ (Retter, Heiler) lauten können – ich finde, „Notfallsanitäter“ klingt hier doch deutlich freundlicher und aussagekräfter. Zudem wurde dem unter Rettungsassistenten mehrheitlich vorhandenen Wunsch entsprochen, durch die Berufsbezeichnung künftig keine reine Assistenzstellung mehr zu suggerieren. Insgesamt gestaltete sich die Namensfindung nicht einfach und es sollte auch jedem verständlich erscheinen, dass man es unmöglich allen Betroffenen recht machen kann.

Für reichlich Diskussionen – auch im Forum Rettungsfachpersonal.de – sorgt §28 des Referentenentwurfs, welcher die Übergangsvorschriften von bisherigen Rettungsassistenten zur neuen Berufsbezeichnung regelt. So soll es Rettungsassistenten mit mindestens 5-jähriger Tätigkeit im Beruf des Rettungsassistenten ermöglicht werden, ohne weitere Nachschulung eine staatliche Ergänzungsprüfung abzulegen, um sich bei Bestehen dieser fortan „Notfallsanitäter“ nennen zu dürfen. Rettungsassistenten hingegen, welche weniger als 5 Jahre Tätigkeit im Beruf nachweisen können, sollen zur Vorbereitung auf die Ergänzungsprüfung an einer 3 oder 6 Monate dauernden Ausbildung teilnehmen.  Eine weitere Ausbildung ist jedoch auch für diese Rettungsassistenten nicht zwingend, allerdings müssen sie – sollten sie keine 3 bzw. 6 Monate zusätzliche Ausbildung absolvieren, an der regulären, staatlichen Abschlussprüfung zum Notfallsanitäter teilnehmen. Eine im Umfang reduzierte Ergänzungsprüfung ist dann nicht möglich. Aus der Formulierung des §28 wird leider auch nicht deutlich, ob die 5-jährige Tätigkeit im Beruf des Rettungsassistenten als zusammenhängende, hauptberufliche Tätigkeit zu verstehen ist, oder ob ein Äquivalent zum Zeitraum von 5 Jahren – bspw. in nebenberuflicher Tätigkeit – ausreicht.
Der Gesetzentwurf berücksichtigt hier die gesammelte Berufserfahrung als Rettungsassistent, bei der Erstellung wurde wohl davon ausgegangen, dass sich Rettungsassistenten mit zunehmenden Berufsjahren die fehlenden Kenntnisse und Fertigkeiten, welche künftig Bestandteil der Notfallsanitäterausbildung sein werden, selbst angeeignet haben.
In diesen Punkten besteht sicherlich noch Gesprächsbedarf und es ist durchaus nachvollziehbar, dass sich gerade frisch ausgebildete Rettungsassistenten im Vergleich mit vielleicht sogar noch übergeleiteten Rettungsassistenten benachteiligt fühlen. Bedenken sollte man jedoch auch, dass sich die Anzahl der übergeleiteten Rettungsassistenten ohne die entsprechende Ausbildung zunehmend verringert, ein Großteil dieser Kollegen dürfte zudem nicht bereit sein bzw. kein Interesse mehr daran haben, die neue Berufsbezeichnung zu erlangen.  Somit ist die diesbezüglich ausgesprochene Kritik eher theoretischer Natur und dürfte in der Praxis kaum Relevanz haben.

Der nun vorgelegte Referentenentwurf bietet, im Falle seines Beschlusses ohne weit reichende Änderungen, großes Potenzial für die künftige Weiterentwicklung des Berufsbildes und des deutschen Rettungsdienstes insgesamt. Das Gesetz darf allerdings nicht als großer Heilsbringer missverstanden werden, sondern als solide und zukunftsfähige Basis für weitere Entwicklungen. Das viel kritisierte Fehlen einer detaillierten Regelkompetenz ist kein Mangel des Gesetzes. Eine solche Regelung kann durch das Berufsgesetz schlicht nicht geleistet werden. Es regelt die Ausbildung sowie die Voraussetzungen, welche zur Erlangung der Berufsbezeichnung „Notfallsanitäter“ notwendig sind – nicht mehr und nicht weniger. Es gibt jedoch einen klar bezeichneten Kompetenzrahmen vor, in dem es Auskunft darüber gibt, was der künftige Notfallsanitäter am Ende seiner Ausbildung können muss, um die ihm zugewiesene Aufgabe zu erfüllen. Dieser bezeichnete Kompetenzrahmen geht weit über das hinaus, was bislang im Rettungsassistentengesetz zu finden war. Dies zeigt sich alleine schon in der Tatsache, dass die zugrunde liegende Ausbildungszielbeschreibung durch ärztliche Standesvertretungen nicht vollumfänglich mitgetragen wurde.

Ich würde mir wünschen, dass unter Rettungsfachpersonal fachlich und sachlich über den Entwurf diskutiert wird; verbale Entgleisungen, wie sie teilweise in Kommentaren zu finden sind, sind unseres Berufes nicht würdig und es darf bezweifelt werden, dass die Verfasser über die soziale und fachliche Kompetenz verfügen, die für eine Tätigkeit im Rettungsdienst unabdingbar ist. Ich lade alle Kolleginnen und Kollegen zu einem konstruktiven Dialog ein – sei es hier auf der Seite, im Forum Rettungsfachpersonal.de oder über eine Kontaktaufnahme mit dem Deutschen Berufsverband Rettungsdienst e.V., der maßgeblich an den Vorarbeiten zur Novellierung beteiligt war und die Novellierung auch weiterhin begleiten wird.


Referentenentwurf zum Notfallsanitätergesetz - Chancen und Befürchtungen, 4.5 out of 5 based on 10 ratings

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