Was ist eigentlich… Krisenintervention??
wie bereits im Post Worst-Case-Szenario angekündigt, geht’s heute einmal um die Krisenintervention im Rettungsdienst. Der Post hatte den Zweck, euch für das Thema zu sensibilisieren, denn die Mitarbeiter/innen des KIT werden doch leider an Einsatzstellen oft nur belächelt.
Zwar weiß jeder irgendwie um was es geht, aber die Wenigsten haben sich wirklich einmal damit auseinandergesetzt… Diese Menschen leisten einen Dienst, den ich persönlich nicht täglich ausüben könnte. Die ehrenamtlichen Helfer bekommen dafür kein Geld, sind rund um die Uhr einsatzbereit. Das KIT an sich betreut die Menschen für durchschnittlich etwa zwei Stunden, eine entsprechende Notfallnachsorge ist aber selbstverständlich auch möglich und wird häufig durch Kooperation mit der örtlichen Notfallseelsorge der Kirchen oder den Glaubensgemeinschaften (Bereitschaftsseelsorge) angeboten.
Klären wir also nun erst einmal allgemein die Frage:
Was genau ist Krisenintervention im Rettungsdienst?
Die Krisenintervention im Rettungsdienst betreut unverletzte Beteiligte und Angehörige bei akut psychisch traumatisierenden Ereignissen. Sie ist darauf ausgerichtet Opfer, Angehörige, Beteiligte und Helfer von Notfällen (Unfall, Großschadenslagen usw.) in der akuten Krisensituation zu beraten und zu stützen. Aber auch Hilfe nach häuslichen traumatischen Ereignissen, wie nach erfolgloser Reanimation, plötzlichem Kindstod und Suizid, sowie Begleitung der Polizei bei der Überbringung von Todesnachrichten gehört zum Einsatzspektrum.
Die Hilfe soll möglichst unmittelbar nach dem Ereignis (peritraumatische Phase) einsetzen oder spätestens dann, wenn eine akute Belastungsreaktion auftritt. Durch die frühzeitige Intervention wird den Betroffenen Raum für ihre Trauer verschafft, sie macht sie wieder handlungsfähig und beugt dadurch der Entstehung einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) vor. Die psychiatrische Betreuung verwirrter oder psychotischer Personen gehört nicht zu den Aufgaben der Krisenintervention.
Die speziell zur Krisenintervention ausgebildeten Helfer sind erfahrene Einsatzkräfte des Rettungsdienstes, die in der Regel über die Rettungsleitstelle alarmiert werden.
Solche Dienste werden meist von Hilfsorganisationen, von Feuerwehren oder in der Form eigenständiger Vereine angeboten.
Bei der Notfallseelsorge handelt es sich um psycho-soziale und seelsorgerische Krisenintervention im Auftrag der Kirchen in der Gesellschaft.
Fassen wir zusammen: Wird von einem Kriseninterventionsteam gesprochen, handelt es sich meist um Angehörige von Hilfsorganisationen oder Feuerwehren, die Notfallseelsorge hingegen wird von den Kirchen betrieben.
Wer das Ganze lieber in bebilderter Form sehen möchte, dem sei eine wirklich sehr gut gemachte, ergreifende und emotionale Reportage empfohlen, die im Jahr 2009 den DRK-Medienpreis gewonnen hat: Auch Helfer brauchen Hilfe!
Geschichte der Krisenintervention
Zum Selbstverständnis der christlichen Kirchen gehörte von Beginn der Kirchengeschichte an, die aktive Hilfe für leidende Menschen als genuine Aufgabe anzusehen (Caritas). Entsprechend war die humanitäre Tätigkeit der großen Hospitalorden des Mittelalters, etwa der Johanniter, gleichermaßen auf seelsorgerisch-psychische wie auf fachpraktisch-medizinische Betreuung ausgerichtet. Eine spezielle seelsorgerische Betreuung der Rettungsdienste gab es jedoch bis Ende des 20. Jahrhunderts nicht in organisierter Form; die Gründung der Arbeitsgemeinschaft Seelsorge in Feuerwehr und Rettungsdienst 1990 ging auf Initiative einzelner Pfarrer zurück, die gleichzeitig in Rettungsdiensten tätig waren.
Auf den Bedarf psycho-sozialer Betreuung in Notfällen wurde kurz darauf auch von manchen Rettungsdiensten selbst reagiert und es entstanden ähnliche Einrichtungen der Rettungsdienste ohne den seelsorgerischen Ansatz:
Einen schweren Verkehrsunfall mit einer Straßenbahn, bei dem ein Kind getötet wurde und die unverletzten Eltern ohne fachliche Betreuung an der Einsatzstelle zurückbleiben mussten, nahm der Rettungsassistent und Diakon Andreas Müller-Cyran zum Anlass, am 9. März 1994 im Arbeiter-Samariter-Bund München das weltweit erste Kriseninterventionsteam zu gründen, um solchen Situationen organisiert begegnen zu können.
Ablauf und Methoden
Der Einsatzablauf bei einer Krisenintervention im Rettungsdienst lässt sich in Phasen unterteilen, bei denen unterschiedliche Aspekte und Methoden im Vordergrund stehen:
- Vorbereitungs- und Organisationsphase: Diese Phase beginnt vor dem Kontakt zum Klienten mit der Informationssammlung zum Ereignis und ermöglicht es dem Mitarbeiter, dem Klienten gegenüber später auskunftsfähig zu sein (Was ist passiert? Wer ist zu betreuen?).
- Sicherheit und Halt vermitteln: Bei Betreuungsbeginn sollte der KIT-Mitarbeiter dafür sorgen, dass der Betroffene sich in einem Umfeld (Setting) befindet, in dem er Emotionen zulassen kann und vor störenden Einflüssen der Umgebung geschützt ist. Ein wichtiger Grundsatz der Krisenintervention ist die Kontinuität der Betreuungssituation, um eine zusätzliche Belastung durch wiederholten Wechsel der Bezugsperson zu vermeiden.
- Struktur schaffen: Da der Betreute die belastende Situation meist aus einer passiven Opferrolle heraus erlebt hat, gilt die Wiedergewinnung der Handlungsfähigkeit als kurzfristiges Ziel der Krisenintervention. Dabei spielt gegebenenfalls die Möglichkeit einer Abschiednahme vom Verstorbenen eine essentielle Rolle, auch Informationen über organisatorische Abläufe der nächsten Stunden und Tage (Leichenschau, Bestattung, Standesamt) sollen den Betroffenen befähigen, die Opferrolle zu verlassen.
- Brückenfunktion: Am Ende der Krisenintervention sollte die Übergabe an das „soziale Netz“ erfolgen. Eine Aktivierung von familiären oder freundschaftlichen Bezugspersonen des Klienten, möglichst durch diesen selbst, stellt eine weitere Betreuung des Betroffenen sicher, auch eine Information über professionelle Hilfsangebote (Beratungsstellen, Selbsthilfegruppen) gehört zu diesem Punkt.
Entgegen der Notfallseelsorge, gilt beim KIT der Grundsatz der Einmaligkeit!
Nach der initialen und ambulanten Krisenintervention sind keine Wiederholungsbesuche üblich. Der Grund hierfür ist die veränderte Beziehungsstruktur zwischen Betreutem und Betreuer, zu der es bei einer erneuten Kontaktaufnahme kommt. Dadurch wären die Methoden der Krisenintervention im Rettungsdienst nicht mehr ohne Weiteres anwendbar und eine optimale Versorgung des Klienten somit nicht gewährleistet. Zudem soll diese zeitliche Begrenzung die Belastung des Mitarbeiters reduzieren.
Finanzierung
Die Krisenintervention im Rettungsdienst kann in Deutschland derzeit nicht mit den Krankenkassen abgerechnet werden. Dem Klienten wird keine Rechnung gestellt. Die Finanzierung erfolgt aus Spenden, manchmal aus öffentlichen Zuschüssen und dem Etat des Trägers.
Fahrzeuge
Für die Anfahrt zum Einsatzort verfügen viele Kriseninterventionsdienste über ein eigenes Einsatzfahrzeug, manche nutzen die Privatfahrzeuge der Helfer oder Fahrzeuge des Rettungsdienstes, der Feuerwehr oder der Polizei. Die Inanspruchnahme von Sonder- und Wegerecht für einen Kriseninterventionseinsatz ist in Deutschland regional unterschiedlich geregelt.
Um eine ruhige Betreuungsatmosphäre (Setting) zu schaffen und die Klienten vor neugierigen Blicken, aber auch vor den Medien abschirmen zu können, werden als Einsatzfahrzeuge in der Regel Kleinbusse angestrebt.
Videos zum Thema KIT und Notfallseelsorge
Im ersten Video, das ich euch hier zeigen möchte, wird ein Notfallseelsorger aus dem Oberallgäu bei dem Fernsehsender TV-Allgäu befragt. Er berichtet hauptsächlich allgemein über die Arbeit der Gruppe, aber auch darüber, wie so ein Einsatz abläuft, wie die Seelsorger selbst damit fertig werden und welche Probleme es stellenweise gibt.
Bei dem nachfolgenden, kurzen Bericht ist auch ein Betroffener zu sehen: Der Vater der ermordeten Hannah, der seit zwei-einhalb Jahren in seelsorgerischer Betreuung ist. Albrecht Röppke, ein evangelischer Pfarrer und Notfallseelsorger, berichtet auch über die Probleme, die sich ergeben und die immer mehr werdende Arbeit der Kriseninterventions- und Seelsorgeteams.
Zum Schluss möchte ich euch noch ein Interview mit einer Polizeiseelsorgerin zeigen, die bei der Loveparade-Katastrophe im Einsatz war. Sie berichtet insbesondere über die Betreuung von Einsatzkräften, was dabei zu beachten ist, welchen Sinn dies hat und was Betroffene davon erwarten können!
Und damit sind wir auch am Ende meines heutigen Posts angelangt (war jetzt ja auch lang genug!)… Ich hoffe, ich konnte euch ein bisschen dafür sensibilisieren, die Arbeit von KIT und Notfallseelsorge zu respektieren und in eure tägliche Arbeit mit einzubeziehen. Bei traumatischen Ereignissen ist es wichtig, dass Betroffene, Angehörige und nicht zuletzt auch die Einsatzkräfte selbst Hilfe bekommen, das Erlebte zu verarbeiten!
In diesem Sinne ein schönes Wochenende und bis bald 😉
P.S. Wer sich genauer informieren möchte und auch die Zeit nach einer Betreuung durch das KIT einmal sehen möchte, dem empfehle ich noch folgende Reportage, die auf BibelTV ausgestrahlt wurde. Weiterführende Informationen für Interessierte finden sich im Internet zuhauf, wenn man die richtigen Begriffe eingibt…
Sehr schöner Artikel!
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