Was ist eigentlich…ein Rettungszug??
Es ist eine Horrorvorstellung, die hoffentlich niemals Realität wird: Ein ICE entgleist bei voller Fahrt mitten in einem langen, dunklen Tunnel und fängt Feuer. Unzählige Tote und Verletzte sind zu beklagen. Bis Rettungskräfte entsprechend strukturiert und zu den Verletzten vorgedrungen sind, dauert es Stunden.
Genau für derartige Horrorszenarien unterhält die Deutsche Bahn im Rahmen des Katastrophenschutzes für jährlich rund zwölf Millionen Euro sieben sogenannte Rettungszüge deutschlandweit.
Diese ausgeklügelten, schienengebundenen Rettungsmittel werden speziell und ausschließlich für die beiden Hochgeschwindigkeitsstrecken Hannover–Würzburg und Mannheim–Stuttgart vorgehalten. Die Züge sind rund um die Uhr einsatzbereit und verlassen im Notfall ihren Heimatbahnhof binnen 5 Minuten. Einsatzbereit, das bedeutet im Falle eines Rettungszuges, dass – während Reisezüge auf den betreffenden Strecken unterwegs sind – sämtliche Aggregate auf Betriebstemperatur und die Löschmittel frostgeschützt gehalten werden.
Stationiert sind die Rettungszüge (RTZ), die früher einmal als Tunnelhilfszüge (TuHi) bezeichnet wurden, in Hildesheim, Kassel, Würzburg, Mannheim, Stuttgart/Kornwestheim und Fulda. Ein weiterer Zug wird als Ersatz vorgehalten.
Aufbau eines Rettungszuges
Alle Rettungszüge müssen nur in eine Richtung ausrücken oder können, wie der Rettungszug in Kassel, entsprechend eingefädelt werden. Ausnahme ist der Rettungszug Fulda, der als so genannter „Zweirichtungszug“ über einen weiteren Sanitätswagen zwischen Transportwagen 1 und Gerätewagen verfügt.
An beiden Enden des 150 Meter langen Zuges befinden sich speziell für den Rangierbetrieb konstruierte Loks, die mit Video- und Infrarotkameras, speziellen Beleuchtungseinrichtungen und Tunnelfunktechnik ausgestattet sind. Damit kann der Zug in beide Richtungen gefahren werden.
Jeweils hinter den Loks befinden sich die sogenannten Transportwägen. Diese sind gasdicht und mit einer von außen unabhängigen Luftversorgung und Wiederaufbereitungsanlage für Frischluft ausgestattet. Somit kann die Frischluftzufuhr – auch in einem verrauchten Tunnel – für bis zu 5 Stunden gewährleistet werden. Jeder Transportwagen bietet Platz für bis zu 60 Einsatzkräfte und kann nur über eine spezielle Schleuse betreten werden.
Hinter dem Transportwagen auf der zum Tunnelausgang gerichteten Seite befindet sich der Sanitätswagen, der ebenfalls nur über eine Schleuse erreichbar ist. Auch dieser Waggon ist gasdicht und mit einer unabhängigen Luftversorgung und Wiederaufbereitungsanlage ausgestattet. Hier befinden sich – neben einigen Sitzmöglichkeiten für Leichtverletzte – insgesamt 18 Behandlungsplätze für Schwerverletzte, sowie zwei Intensivbehandlungsplätze und jede Menge medizinische Ausrüstung, wie z.B. 17 Beatmungsgeräte, 400 Infusionen und mehrere Defibrillatoren.
Der nächste Waggon ist der Gerätewagen, der von der Ausstattung her mit einem LF 16 sowie einem RW 2 (DIN-Beladung) zu vergleichen ist. Hier befindet sich das hydraulische Rettungsgerät, zwei Stromaggregate, Beleuchtungssätze, sowie mehrere Krankentragen. Ausserdem beinhaltet der Gerätewagen noch zwei mobile Funkstationen (Tunnelfunk).
Hinter dem Transportwagen und der Lok, die in Richtung Tunnelinneres gerichtet sind, befindet sich der Löschmittelwagen. Dieser ist mit allen anderen Waggons des Zuges verbunden, so dass er für den kompletten Zug die Löschmittelversorgung sicherstellen und ein Löschangriff von jedem Waggon aus gestartet werden kann. Er beinhaltet unter anderem 20.000 Liter Löschwasser, 1000 Liter Schaummittel, sowie Feuerlöschkreiselpumpen mit einer Löschwasserfördermenge von 1600 Litern pro Minute bei 10 bar Nennförderdruck. Ausserdem sind viele weitere für den Löschangriff notwendige Materialien und weitere 100 Krankentragen verladen.
Einsatzablauf und Besatzung
Im Einsatzfall werden die beiden benachbarten Rettungszüge alarmiert. Innerhalb von fünf Minuten besetzen die beiden Triebfahrzeugführer den Zug und fahren zum Übernahmeplatz, wo sie die restliche Besatzung aufnehmen. Diese besteht aus insgesamt 20 Feuerwehrleuten (davon ein Einsatzleiter), sowie acht Rettungsassistenten und zwei Notärzten, die regulär über die Leitstelle alarmiert werden. Nach zehn Minuten ist der Rettungszug dann voll besetzt abfahrbereit. Der Einsatzleiter Feuerwehr fungiert als Leiter Rettungszug. Er meldet dem Fahrzeugführer der führenden Lok die Abfahrtbereitschaft. Des Weiteren entscheidet er – zusammen mit dem Notfallmanager der Deutschen Bahn – vor Ort ob und welcher der beiden Züge in den Tunnel einfährt. Laut Angaben der Deutschen Bahn sollte der erste der beiden Züge spätestens 30 Minuten nach dem Notruf am Einsatzort eintreffen.
Der Triebfahrzeugführer des Zuges, welcher in das Portal einfährt, verlässt nun seine Lok und steigt in den gasdichten Transportwagen 1 ein, von wo aus er den Zug über einen Führerstand mit Hilfe von zwei Bildschirmen fahren kann. Währenddessen werden von der restlichen Besatzung die Aggregate für den Funkverkehr ausgeladen und aufgestellt und die Fahrleitung geerdet.
Nun fährt der komplette Zug in den Tunnel ein und bezieht direkt hinter dem Schadensgebiet Stellung. Hier verlassen die Einsatzkräfte den Zug, beginnen mit den Lösch- und Rettungsarbeiten. Verletzte und/oder Betroffene werden über eine spezielle Schleuse in den Sanitätswagen aufgenommen und dort behandelt. Die Ausstattung des Sanitätswagens lässt sogar Notoperationen direkt vor Ort zu.
Sobald die Patienten stabilisiert sind, werden sie über eine weitere Schleuse in den hinteren Transportwagen verbracht. Dieser wird dann vom restlichen Zug abgekoppelt und von der hinteren Lok aus dem Tunnel gezogen. Dieser Teil des Zuges bildet einen Pendelverkehr um Verletzte und Betroffene schnellstmöglich aus dem Tunnel zu retten.
Einsätze
Seit der Indienststellung der Rettungszüge durch die Deutsche Bahn gab es (gottseidank) erst fünf reale Alarmierungen. Keine davon bot eine originäre Indikation für einen Rettungszug:
- Einmal war ein Waggon eines Güterzuges entgleist und in Brand geraten, woraufhin der Rettungszug aus Kassel zum Löschen anrückte.
- Zweimal führte eine von einem ICE erfasste Person zum Einsatz eines Rettungszuges weil die betreffenden Personenzüge nach der Notbremsung mitten in einem Tunnel zum Stehen gekommen waren.
- Ein in Brand geratener Triebkopf eines ICE auf einer Brücke zog die Alarmierung des Rettungszuges Kornwestheim nach sich.
- Zum wohl dramatischsten Einsatz wurden im Jahr 2008 die Rettungszüge aus Fulda und Würzburg alarmiert, als ein ICE mit 220 Km/h in eine Schafherde gefahren und entgleist war. Glücklicherweise wurden damals nur 19 der insgesamt 135 Reisenden verletzt.
Auch beim verheerenden ICE-Unglück in Eschede bot die Deutsche Bahn an, einen Rettungszug (Hildesheim) zur Unglücksstelle zu schicken.
Die geringen Einsatzzahlen sprechen für die Sicherheit der Bahn! Es bleibt zu hoffen, dass die Rettungszüge auch in Zukunft nicht ausrücken müssen…
Nebenbei bemerkt
Wie bereits erwähnt werden sämtliche Rettungszüge der Deutschen Bahn nur für die Hochgeschwindigkeitsstrecken Hannover–Würzburg und Mannheim–Stuttgart vorgehalten. Für alle anderen Tunnel in Deutschland gibt es derzeit noch andere Rettungskonzepte. Moderne Tunnel werden ohnehin so gebaut, dass sie über sogenannte Rettungsstollen mit normalen Fahrzeugen befahren werden können. Außerdem werden nur noch eingleisige Röhren (für jede Richtung eine Röhre) gebaut, die durch querverlaufende Gänge miteinander verbunden sind. Somit können Einsatzkräfte bei einem Unglück in einer der Röhren immer von der jeweils anderen Röhre zugeführt werden.
Erwähnenswert ist auch noch, dass neue Tunnel mit einer sogenannten „festen Fahrbahn“ ausgestattet sind, bei der die Schienen statt auf herkömmlichen Schwellen in einem Schotterbett auf speziellen Betonbefestigungen auf einer durchgehenden Betonplatte liegen. Über der Betonplatte sind weitere Platten zwischen und neben den Schienen, um eine ebene Overfläche (und Geräuschdämpfung) zu erreichen. So eine Strecke kann mit normalen Straßenfahrzeugen befahren werden, d.h. die örtliche Feuerwehr kann (unter Berücksichtigung der sonstigen Gefahren wie Rauch) problemlos mit ihren Standardfahrzeugen an die Einsatzstelle fahren und braucht keine speziellen Zweiwegefahrzeuge oder Züge als Hilsfmittel. Das ganze ist dann mit einer Straßenbahn vergleichbar.
Selbst in eingleisigen Tunneln können sich normalerweise 2 Feuerwehrfahrzeuge (vorsichtig) überholen, sodass der Tunnel durch die Fahrzeuge nicht völlig blockiert wird.