Auch Helfer brauchen Hilfe
„Wir rennen dort hin, wo alle anderen weg rennen!“ – Diesem Motto haben sich in Deutschland mehrere Millionen Männer und Frauen durch ihren Beruf, oder ein Ehrenamt das sie bekleiden, verschrieben. Egal was passiert, rund um die Uhr halten sich Menschen bereit um im Notfall zu helfen.
Was sie bei ihren Einsätzen teilweise zu Sehen bekommen, ist oft sehr belastend. Schwerstverletzte, teilweise verstümmelte und mit dem Tod ringende Menschen – Auch die „alten Hasen“ haben in derartigen Grenzsituationen oftmals massive Probleme das Erlebte zu verarbeiten. Häufig zeigen sich krankhafte Veränderungen von Körper und Seele erst nach einiger Zeit wenn das „innere Fass“ überläuft. Dann haben die Patienten meist mit heftigen Panikattacken, Schlaflosigkeit, Konzentrationsstörungen, Teilnahmslosigkeit und Zittern zu kämpfen und ziehen sich nicht selten sehr stark zurück.
Heutzutage sind Begriffe wie „Posttraumatische Belastungsstörung“ oder „Burnout-Syndrom“ auch in unserem Beruf gottseidank kein Fremdwort mehr und es wird viel getan um uns Unterstützung anzubieten. Dennoch sind viele der Kollegen nicht bereit offen mit den Anzeichen umzugehen. Niemand gibt gerne zu, wenn eine Situation so belastend war, dass man sie nicht einfach vergessen oder kontrollieren kann. Zu groß ist die Angst davor, sich vor den Kollegen bloß zu stellen, belächelt zu werden oder gar den Job zu verlieren. Dies liegt wohl auch daran, dass die posttraumatische Belastungsstörung in den Köpfen immer noch nicht als ernstzunehmende Erkrankung mit weitreichenden Konsequenzen angekommen ist.
Zunehmend werden schwere Einsätze auch von sogenannten PSU-Teams (Psychosoziale Unterstützung) begleitet, die besonders auf die Reaktionen der einzelnen Einsatzkräfte achten und auffällige Helfer entsprechend betreuen.
Eine Studie zum Thema ‚Psychischen Fehlbelastungen von Rettungsdienstmitarbeitern‘ kam zu dem Ergebnis, dass sich rund ein Fünftel (20,5 %) der Mitarbeiter im Rettungsdienst im anfänglichen oder fortgeschrittenen Burnout-Prozess befinden und ca. 3 – 7 % bereits an einer posttraumatischen Belastungsstörung leiden…
In diesem Zusammenhang möchte ich euch heute einen wirklich gelungenen Film an’s Herz legen, der – auf teilweise sehr emotionale und ergreifende Art und Weise – zeigt um was es sich bei der Erkrankung genau handelt, wie dramatisch ihr Verlauf für den Betroffenen sein kann und vor allem was dagegen getan werden kann.
Wolfgang Klauser erhielt für seine Reportage „betrifft: Auch Helfer brauchen Hilfe“ am 11. Mai 2010 den DRK-Medienpreis 2009 in der Kategorie Fernsehen. Seitens des SWR, für den der Film produziert wurde, heißt es:
Der 45-minütige Film thematisiert, wie Ersthelfer mit den oftmals schrecklichen Erlebnissen umgehen, die ihnen in ihren Einsätzen begegnen. Denn auch erfahrene Helfer haben immer wieder Probleme, die Eindrücke und Grenzsituationen zu verarbeiten, in die sie geraten. Viele von ihnen brauchen nach solchen Einsätzen selbst psychologische Unterstützung. Anhand von Erlebnissen und Geschichten traumatisierter Helfer dringt die Dokumentation behutsam in bislang wenig bis gar nicht bekannte Bereiche der menschlichen Seele vor.
Ich persönlich halte diese Reportage für eine der besten die zu diesem Thema je produziert und ausgestrahlt wurde und kann daher wirklich nur jedem einzelnen von euch empfehlen, sich die 45 Minuten Zeit zu nehmen – es lohnt sich!
Zum Thema interessiert uns natürlich
- wie ihr persönlich mit sehr belastenden Situationen umgeht
- ob ihr wisst an wen ich euch wenden könnt
- ob ihr über die posttraumatische Belastungsstörung und ihre Konsequenzen aufgeklärt wurdet
- und natürlich auch ob ihr bereits am eigenen Leib, bei Verwandten, Bekannten oder Kollegen etwas derartiges erlebt habt.
- Werden bei euch Nachbesprechungen angeboten und nutzt ihr dieses Angebot?
- Habt ihr euch schon einmal persönlich an einen Seelsorger, o.ä. gewandt?
Wir sind gespannt auf eure Meinungen und Erfahrungen…
Mehr zum Thema Einsatznachsorge und Krisenintervention: Was ist eigentlich… Krisenintervention??
Als einer der Protagonisten dieses Films kann ich nur beipflichten. Wolfgang Klauser und sein Team haben es geschafft mit viel Einfühlungsvermögen und Fingerspitzengefühl sämtliche Befürchtungen, die es im Vorfeld gab, zu zerstreuen. Er hat bewiesen, dass man gute Dokumentationen machen kann, die nicht auf eine reißerische Aufmachung angewiesen sind. Ich jedenfalls habe es bis heute nicht bereut, mich zu öffnen und meinen kleinen Beitrag zum Thema zu leisten und bin dem Team immer noch dankbar für die großartige Arbeit, die es geleistet hat.
[…] (3 votes)Zuletzt KommentiertJordanis bei Der Rettungsdienst und seine GrenzenSH bei Auch Helfer brauchen HilfeGlaserei München bei Keine Medikamentengabe durch Rettungsassistenten in MünchenMaria bei […]
Echt super Doku! Ich finde es ganz toll das ihr vom Rettungsdienstblog hier solche solche Sachen postet, denn manchmal weiß man einfach nicht mit wem man reden soll und dann kann ein solcher Film antworten liefern.
Bringt weiterhin solche Super Beiträge!
Mfg, johnny_14752
[…] Es bleibt zu hoffen, dass sich in diesem Bereich in den nächsten Jahren etwas verändert. Man kann und darf diese Szenarien nicht einfach ignorieren und die Retter – und damit auch die Opfer und Betroffenen – im Fall der Fälle sich selbst überlassen… Wir brauchen auch in Deutschland klare Strukturen, durchdachte Konzepte und eindeutige Richtlinien, vielleicht sogar speziell geschulte Einheiten und allem voran Aufklärung, Ausbildung und Training! Es muss sichergestellt sein, dass sowohl den Opfern, als auch den Betroffenen bei einer Amok- oder Terrorlage schnellstmöglich kompetent geholfen werden kann und dass auch die Helfer nach dem Ereignis die Chance haben, das erlebte zu verarbeiten und sich zu regenerieren (Vgl. Auch Helfer brauchen Hilfe!). […]