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Sicherlich haben es schon einige von euch gehört: Uwe Kreimeier, der Ärztliche Leiter des Rettungsdienstes im Rettungszweckverband München hatte Ende Juni die in München beschäftigen Rettungsassistenten angewiesen, künftig von Medikamentengaben (Injektion/Infusion) abzusehen. Lediglich Sauerstoff und Vollelektrolytlösungen dürften nach Ansicht der ÄLRD München auch weiterhin gegeben werden.

Seine Entscheidung hatte er damit begründet, dass die Gabe von Notfallmedikamenten durch Rettungsfachpersonal in den letzten Wochen „sprunghaft zugenommen“ habe. Untermauert hatte er dies mit der Nennung von vier Einzelfällen, in denen beispielsweise Midazolam (ein starkes Beruhigungsmittel) durch Rettungsassistenten verabeicht worden war. In dem genannten Fall war das Medikament jedoch zur Durchbrechung eines Krampfanfalles gegeben worden. Er argumentierte weiter, dass in München das zeitnahe Eintreffen des Notarztes sichergestellt sei, selbst wenn dieser erst nach dem Eintreffen des Rettungswagen hinzugerufen werde.

Zwischenzeitlich mussten viele Betroffene bei ihren Arbeitgebern schon Dienstanweisungen unterschreiben, dass sie – abgesehen von VEL’s und Sauerstoff – keine Medikamente mehr applizieren. Anderenfalls würden arbeitsrechtliche Konsequenzen drohen.

Grund genug für uns, dies einmal genauer zu beleuchten:

Auswirkungen in der Praxis

Nach Ansicht der Münchner ÄLRD’s soll künftig also die RTW-Besatzung bei einem bewusstlosen Patienten im Unterzucker einen Notarzt nachfordern und dann minutenlang (In München ca. 8 Minuten) bis zum Eintreffen des NEF abwarten.

Eine Hypoglykämie führt zur Beeinträchtigung der Zellfunktion. Je nach Ausmaß führt sie außerdem zu Hirnschäden oder gar zum Tod.

Oder nehmen wir den Krampfanfall als Beispiel: Ein Patient im – potentiell lebensbedrohlichen – Status epilepticus soll also vom nichtärztlichen Fachpersonal nicht entsprechend medikamentös behandelt werden.

Die körperliche Belastung und die Beeinträchtigung der Steuerung des zentralen Nervensystems können zum Ausfall wichtiger Körperfunktionen, wie z.B. Atmung, Blutdruck und Temperatur, führen. Die lang andauernden elektrischen Entladungen der Nervenzellen können zusätzlich zu massiven Hirnschädigungen führen. In 10% der Fälle endet ein Status epilepticus tödlich.

Ein reanimationspflichtiger Patient soll bis zum Eintreffen des Notarztes in München kein Epinephrin mehr erhalten.

Epinephrin (=Adrenalin) ist das Standardmedikament bei der Herz-Lungen-Wiederbelebung. Es führt zur Verengung der peripheren Blutgefäße, was die Durchblutung von Herz und Gehirn verbessert. Der ERC (European Resuscitation Council / Europäischer Reanimationsrat) führt dieses Medikament im Rahmen der erweiterten Maßnahmen (Advanced Life Support) auch in seinen Guidelines auf.

Ein weiteres Beispiel ist der Patient mit stärksten Schmerzen, der ab sofort keine Schmerzmittel mehr erhalten soll bis der Notarzt eintrifft.

Jeder, der schon einmal stärkste Schmerzen hatte, weiß, wie lange acht Minuten sein können!

 

Rechtliche Grundlagen

All die oben genannten Medikamente finden sich in der Empfehlung der Bundesärztekammer wieder.

Dort heißt es unter Anderem:

Ist der Rettungsassistent am Notfallort auf sich alleine gestellt und ist rechtzeitige ärztliche Hilfe nicht erreichbar, so darf und muss er, aufgrund eigener Befunderhebung und Entscheidung, die Notfallmedikamente geben, die zur unmittelbaren Abwehr von Gefahren für das Leben oder die Gesundheit des Notfallpatienten dringend erforderlich sind.

Des Weiteren ist dort jedoch zu lesen:

„Der Ärztliche Leiter Rettungsdienst entscheidet über die Auswahl, Dosierung und Applikation der Notfallmedikamente und hat Weisungsbefugnis bei der Auswahl und dem Ausschluss der die Maßnahmen durchführenden Rettungsassistenten.“

Der DBRD (Deutscher Berufsverband Rettungsdienst) hat in seiner Stellungnahme vom 01.07.2012 das Problem an der Sache detailliert beschrieben:

Es werden jetzt, teilweise über das übliche Maß hinausgehend fortgebildete, Rettungsassistenten zu einer Handlung aufgefordert, die für sie haftungs- und strafrechtliche Risiken birgt. Bereits mehrere Gerichte haben entschieden, dass in Fällen, wo ein Notarzt nicht rechtzeitig beim Patienten sein kann, eine Behandlung, auch invasiv, durch Rettungsassistenten zu leisten ist, sofern sie die Maßnahme sicher beherrschen. Wie uns ein Gutachten aus einem ähnlichen Fall bestätigt, haftet ein Rettungsassistent aus unechtem Unterlassen, d. h. insbesondere den §§ 13, 223 ff. StGB und ggf. sogar den §§ 13, 211 ff. StGB, wenn er beherrschbare Maßnahmen bei einem Notfallpatient unterlässt. Schon die Körperverletzung durch Unterlassen ist mit Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren bedroht bei einer nur fakultativen Strafmilderung aus § 13 Abs. 2 StGB.

Fazit

Wie auch in der Stellungnahme des DBRD zu lesen ist, haben Rettungsassistenten, die rechtmäßig handeln, keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen zu erwarten.

Nach wie vor gilt, dass der Rettungsassistent sämtliche zur Rettung von Menschenleben oder zur Abwendung schwerer gesundheitlicher Schäden erlernten und beherrschten Maßnahmen durchführen darf und muss, sofern kein Arzt zur Verfügung steht. Unterlassen ist strafbar!


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