Schweizer „Todesstempel“ hat keine Rechtsverbindlichkeit im Rettungsdienst
Auf Grund von Hinweisen aus der Notärzteschaft und aus Kreisen des Rettungsdienstpersonals hat sich die BAND auf ihrer Mitgliederversammlung im Dezember 2011 in Leipzig mit einem Beitrag aus der Fernsehsendung „BRISANT“ vom 25.11.2011 befasst. Diese Sendung, welche in den ARD-Programmen wiederholt wurde, befasste sich mit einem sogenannten „Todesstempel“ aus der Schweiz, welcher aber bereits in Deutschland vertrieben werden soll. Dieser Stempel mit dem Text „NO CPR“ soll den Willen des Patienten nach Nichtdurchführung einer Reanimation bekunden.
Die BAND hat hierzu bei der Rechtsabteilung der Sächsischen Landesärztekammer eine juristische Stellungnahme angefordert und macht sich diese Auskunft vom 17.02.2012 zueigen:
Die Verwendung eines sogenannten „Todesstempels“ erachten wir für ausgesprochen problematisch. Die Regelung in § 1901 a BGB ist eindeutig, denn sie regelt ganz klar die inhaltlichen Anforderungen an eine wirksame Patientenverfügung sowie die Schriftform diesbezüglich nach § 126 BGB. Ein einzelner Stempel stellt somit keine Patientenverfügung im Sinne des § 1901a BGB dar. Hinzu käme, dass dem Stempel keinerlei Beweiswert hinsichtlich Urheber und Aktualität zukäme. Allenfalls kann ein solcher Stempel ein Hinweis darauf sein, dass eine Patientenverfügung besteht. Ungeachtet eines solchen Hinweises hat sich der Notarzt, also im Notfall, entsprechend den Empfehlungen der Bundesärztekammer und der Zentralen Ethikkommission bei der Bundesärztekammer zum Umgang mit Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung in der ärztlichen Praxis (Anlage) zu richten. Aufgrund der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung der Patientenverfügung ist der Wille des Patienten trotz „Todesstempels“ nicht zweifelsfrei bekannt und es ist die medizinisch indizierte Behandlung einzuleiten, die im Zweifel auf die Erhaltung des Lebens gerichtet ist. Die Entscheidung, die im Rahmen der Notfallsituation getroffen wurde, muss jedoch daraufhin geprüft werden, ob sie weiterhin indiziert ist und vom Patientenwillen getragen wird. Damit unterscheidet sich die Situation aber nicht von der Behandlung eines Patienten mit wirksamer Patientenverfügung ohne Stempel auf dem Körper.
Somit stellt die BAND fest, dass sich für den Fall eines solchen Stempelabdruckes (oder einer Tätowierung) für den ersteintreffenden Rettungsdienstmitarbeiter keine neuen Erkenntnisse ergeben. Demnach müssen die Reanimationsmaßnahmen bis zum Eintreffen des Notarztes fortgeführt werden. Nach dem möglichen Auffinden einer entsprechenden Vorsorgevollmacht und/oder Patientenverfügung liegt es dann in der Entscheidungsbefugnis des Notarztes, die Maßnahmen abzubrechen.
Quelle: Pressemeldung der BAND e.V.
Was ist eure Meinung zu dieser Pressemeldung?
Die NO CPR GmbH, die den Stempel vertreibt, wirbt mit dem Slogan „Keine Reanimation! Leben, so lange das Leben lebenswert ist“ und verspricht eine „hohe Sicherheit“, dass im Falle eines Herz-Kreislauf- und/oder Atemstillstandes von einer Reanimation abgesehen wird.
Soll der Stempel als ‚Wille des Patienten‘ gewertet und daher von einer Herz-Lungen-Wiederbelebung abgesehen werden?
Oder seid ihr ebenfalls der Meinung, dass die Reanimationsmaßnahmen – trotz des Stempels – begonnen werden sollten?
Derzeit wird – zusammen mit dem Stempel – auch eine Ausweiskarte, sowie eine Patientenverfügung vertrieben. Solltet ihr also einmal einen Patienten mit „NO CPR!“-Stempel vorfinden, empfiehlt sich in jedem Fall, direkt nach diesen Dokumenten zu fragen…
Mehr Informationen zum Stempel erhaltet ihr auf der offiziellen Homepage der NO CPR GmbH: www.nocpr.ch
News vom Rettungsdienst…
Stempel auch in Deutschland? – <b>Rettungsdienst</b>-Blog.com…
bei uns im RD (Schweiz) wird der NO CPR-Stempel ganz einfach als Hinweis „da gibts eine Patientenverfügung“ verstanden. Und als solches finde ich den Stempel okay.
Dem Rettungsdienstpersonal (in Deutschland) ist oder muss das ja leider eh vollkommen egal sein.
Selbst wenn eine Patientenverfügung da ist muss er ja an und für sich trotzdem tätig werden so lange bis ein Doc da ist und eine Entscheidung trifft.
Ich für meinen Teil würde auf jeden Fall praktisch immer anfangen zu reanimieren solange keine sicheren Todeszeichen da sind.
Ich muss zugeben, dass ich das zwar nicht immer gerne mache bei sehr alten und/oder sehr kranken Leuten weil ich über die Folgen des möglichen „Überlebens“ durchaus im Klaren bin.
Aber solange die Rechtslage so ist werde ich meine Freiheit nicht riskieren.
Wie schon geschrieben kann man am Stempel zum Ersten nicht sehen, wie aktuell er ist (denn vielleicht hat sich der Patient die Sache ja anders überlegt), und zum Zweiten steht nicht fest, dass er nicht z.B. von einem Angehörigen aufgedrückt wurde, was nicht so abwegig ist, wie man es vielleicht meinen möchte.
Auch als Rettungsassistent sollte man allerdings über seinen Schatten springen und den gesunden Menschenverstand walten lassen: Eine 95Jährige, die bettlägerig und als Vollpflegefall nur noch mit Drogen ihre Schmerzen ertragen kann, um mit Magensonde und O2- Schlauch vor sich hin zu dämmern, werde ich wohl auch beim beobachteten letzten Atemzug sterben lassen. Ich denke, kein Angehöriger und kein Arzt wird einen deswegen anzeigen. Das gebietet die Menschenwürde und erfordert keinen Stempel.
Sieht es allerdings so aus, als hätte der Patient noch so etwas wie ein Leben gehabt (ein paar Worte mit Angehörigen und ein Blick durchs Zimmer sagen alles), fange ich als Assistent auch trotz Verfügung erst einmal an, zu Reanimieren, da ich natürlich weder den Inhalt noch die Echtheit in angemessener Zeit prüfen kann.
Kurz: Ob ich reanimiere oder nicht, hängt von vielen Faktoren ab. Der Stempel ist da allenfalls ein Hinweis, dem ich aber aus Zeitgründen nicht nachgehen kann.
Ach, und was die „hohe Sicherheit“ angeht: Bei eBay werden Frontscheiben- Aufkleber der Polizeigewerkschaft verkauft und damit beworben, dass man damit keine Knöllchen mehr bekommt und in Polizeikontrollen immer gut weg kommt. Die Dinger erfüllen etwa genauso „sicher“ ihren Zweck…
Ich möchte auch in Deutschland selber über mein Leben bestimmen können, und ich hoffe
das mein letzter Wille erfüllt wird.
Zuerst herzlichen Dank dafür, dass ihr die Diskussion über den Stempel aufgenommen habt, Dann hat er schon zum grossen Teil seinen Zweck erfüllt!
Der Stempel wurde aufgrund von Erfahrungen mit palliativen, aber aktiven Ca Patienten entwickelt. Es war mir bei der Entwicklung nicht bewusst, welche Wellen der Stempel verursachen würde, ich hätte es mir wohl nochmals überlegt…… Doch nun ist er da und ist sehr gefragt. Mittlerweile fast mehr in D als in der CH. Als Beitrag zu dieser Diskussion steht für mich eine Aussage eines 60 jährigen Stempelkunden vor Augen: „Wie sonst soll ich denn mitteilen, dass ich nicht reanimiert werden möchte? Dass ich dieses Angebot nicht in Anspruch nehmen möchte, da ich seit Jahren an Cluster Kopfschmerz leide, was man mir leider nicht ansieht.“
Wegen dem Aufdrücken des Stempels durch das Umfeld: Da müsste man schon gerade in dem akuten Moment anwesend sein, einen Stempel zur Hand haben und eine Ausweiskarte fälschen, damit das klappen würde. Zu jedem Stempel gehört die Ausweiskarte, diese erfüllt die Bedingungen einer Patientenverfügung und soll wie ein Organspenderausweis immer mitgetragen werden. Für sich allein ist der Stempel keine rechtsgültige Verfügung, sondern ein Hinweis auf die Karte.
Schlussendlich geht es ausnahmslos um die Autonomie des Menschen und diese zu Wahren ist ja auch unsere Aufgabe im Gesundheitswesen, oder?
@ Flo
Nicht dass die Freiheit riskiert wird, WEIL man reanimiert hat.
Der Betroffene könnte sich danach zum Ziel setzen dem Retter ein paar Straftaten anzuhängen.
Das ist zumindest theoretisch möglich.
Ich finde man sollte ein System einführen, dass es ermöglicht in Sekunden zu prpfen ob der Patient reanimiert werden will.
Evtl. per Fingerabdruck.
Jeder Mensch kann ohne „Aufklärungsgespräch“ und ähnliches amtlich festhalten dass er keine Rettungsmaßnahmen bzw. CPR wünscht.
Dann könnte man das ohne Speicherung des Namens usw. auf einem Server sichern.
Vor Ort müsste nur kurz der Finger auf einen Scanner gedrückt werden.
Datenschutz ist somit auch gewährleistet.
Und man muss nicht immer mit einem Kettchen (in den USA und Kanada gibt es solche No-CPR-Ketten, und die sind rechtlich bindend) usw. rumlaufen.
Das wäre auch sehr schnell zu prüfen und absolut sicher (kann kein Dritter anbringen).