Wie machen’s denn die Anderen?? – Heute: Südafrika
Südafrika ist ein Land der Gegensätze. Die Republik ist mehr als dreimal so groß wie Deutschland und umfasst sowohl Sandwüsten als auch endlose Grasflächen, Hochgebirge und Mangrovensümpfe an der nordöstlichen Küste.
In einigen Ballungsgebieten, wie zum Beispiel in der Provinz Gauteng oder in den Großräumen Kapstadt und Durban, ist das Land ähnlich dicht besiedelt wie Deutschland, während in ländlichen Gegenden oft viele Kilometer zwischen den einzelnen Ansiedlungen liegen. Das Bild auf der rechten Seite verdeutlicht dies: Die ganz hellen Flächen sind Gebiete mit nur einem oder weniger Einwohnern pro Quadratkilometer, die sehr dunklen Flächen hingegen weisen eine Bevölkerungsdichte von über 3000 Einwohnern pro Quadratkilometern auf. Dementsprechend sind auch die Gegensätze zwischen Reich und Arm viel stärker ausgeprägt als bei uns. Daraus resultieren natürlich auch völlig unterschiedliche Einsatzspektren und -bedingungen für den Rettungsdienst.
Organisation des Rettungsdienstes
Der öffentliche (staatliche) Rettungsdienst wird von den neun Provinzen Südafrikas getragen. Die Ambulanzen werden kurz als „Metro Ambulance“ bezeichnet.
Ergänzt wird dieses System durch Freiwilligenorganisationen wie South African Red Cross und St. John’s Ambulance.
Daneben gibt es eine Reihe von privaten Rettungsdiensten, von denen beispielsweise NetCare911 und ER24 auf nationaler Ebene tätig sind, während andere nur örtlich oder regional operieren. Die Organisationen sind unabhängig von einander und haben ihre jeweils eigenen Notrufnummern. Die Qualifikation der Mitarbeiter der Rettungsdienste ist jedoch einheitlich und entspricht bei allen Organisationen den Standards des öffentlichen Rettungsdienstes.
Eingesetzte Rettungsmittel
Die Fahrzeugflotten reichen von normalen Rettungs- bzw. Krankenwagen, über sogenannte RRV’s (Rapid Response Vehicle) bis hin zu Ambulanzflugzeugen und Rettungshelikoptern.
Es gibt keinen landesweiten Standard für die Fahrzeuge, so dass ihr technischer Zustand und ihre Ausstattung – je nach Standort und Betreiber – teilweise sehr stark variieren.
Eine kleine Besonderheit, die man in den entlegenen und wenig besiedelten Gebieten (Süd-)Afrikas unter Umständen auch mal zu sehen bekommt, sind die Motorrad-Ambulanzen. Diese Motorräder sind mit medizinischer Grundausrüstung beladen und können in ihrem Beiwagen einen Patienten transportieren. Sie kommen vor allem dort zum Einsatz, wo es keine befestigten Straßen – geschweigedenn „richtige“ Ambulanzen – gibt. Diese Fahrzeuge werden u.A. von Unicef auch in anderen Ländern eingesetzt.
Ausbildungen und Qualifikationen
Bis vor Kurzem gab es drei Qualifizierungsstufen:
- Basic Ambulance Assistant (BAA)
Er stellt die unterste Stufe dar und ist die Grundvoraussetzung, um im Rettungsdienst arbeiten zu dürfen. Die Ausbildung dauert 160 Stunden und umfasst sowohl Theorie als auch Praxis. Vermittelt werden dabei grundlegende anatomische und physiologische Kenntnisse, Maßnahmen in Erster Hilfe und Bedienung von Geräten der Notfallmedizin, wie Defibrillatoren und ähnliches.
- Ambulance Emergency Assistant (AEA)
Mittleres Ausbildungsniveau. Voraussetzung dafür ist ein Minimum von 1.000 Stunden als BAA. Die Ausbildung umfasst 470 Stunden (Theorie und Praxis) und erfordert das Bestehen eines Zugangstests. Der AEA ist unter anderem dazu berechtigt, Medikamente intravenös zu verabreichen und beispielsweise eine erste Auswertung von EKGs vorzunehmen.
- Critical Care Assistant (CCA)
Er muss, nachdem er die Ausbildungen zum BAA und AEA erfolgreich abgeschlossen hat, noch ein Training absolvieren, das insgesamt 1.200 Stunden umfasst. Um diese Stufe zu erreichen, benötigen geeignete Kandidaten gewöhnlich mehr als vier Jahre. Diese Ausbildung entspricht den höchsten in den USA und der EU geltenden Standards.
Alle Mitarbeiter der Rettungsdienste sind mit ihrer Qualifikation in einem zentralen Register erfasst. Die jeweiligen Standards werden vom Health Professions Council of South Africa (HPCSA) festgelegt. Gegenwärtig entstehen neue Qualifikationen, die ein Universitätsstudium voraussetzen.
Besondere Bedingungen im südafrikanischen Rettungsdienst
- Im Land spielt AIDS eine große Rolle. Ungefähr ein Fünftel der Bevölkerung ist bereits infiziert und die Tendenz steigt weiter. Mitarbeiter der Rettungsdienste müssen deshalb in ihrem eigenen Interesse die entsprechenden Maßnahmen treffen, um sich nicht selbst anzustecken.
- Die Kriminalität ist zwar etwas zurückgegangen, aber immer noch weit höher als in Europa. Für den Rettungsdienst gehören daher traumatische Verletzungen, insbesondere Schuss- und Stichverletzungen, zum Alltag.
- In vielen Krankenhäusern sind die Notaufnahmen permanent überlastet. Besonders schlimm ist die Situation an Wochenenden oder an Feiertagen wie Weihnachten, wenn arbeitsfrei ist und der Alkohol in Strömen fließt.
- Auch das Familienrecht und Arbeitsrecht ist anders als in Deutschland. Generell muss mit längeren Arbeitszeiten als auch härteren Einsatzbedingungen gerechnet werden.
- Auf dem Land wird vielfach noch Petroleum zur Beleuchtung und zum Kochen verwendet. Dadurch kommt es immer wieder zu Vergiftungen, weil der Brennstoff häufig in Softdrink-Flaschen aufbewahrt wird. Verletzungen durch Verpuffung, zu deren Heilung nicht selten plastische Chirurgie erforderlich ist, sind im Winter ebenfalls weit verbreitet.
- Zum Alltag der Rettungsdienste gehört auch die Erstversorgung nach Vergewaltigungen. Südafrika hat eine der höchsten Vergewaltigungsraten der Welt. Statistisch gesehen ist jede dritte Frau davon betroffen. Im Vergleich dazu spielen „afrikanische“ Notfälle wie zum Beispiel Schlangenbisse oder Angriffe durch Wildtiere nur eine untergeordnete Rolle.
Hilfsfristen (Response Time)
Während in Ballungsgebieten die durchschnittliche Zeit von der Alarmierung bis zum Eintreffen ungefähr 15 Minuten beträgt, liegt diese in ländlichen Gebieten oft zwischen 40 Minuten und (in Extremfällen) mehreren Stunden. Teilweise, hauptsächlich in dichter besiedelten Regionen, stehen Rapid Response Vehicles zur Verfügung, die die Versorgung des Patienten übernehmen, bis eine Ambulanz eintrifft.
Arbeiten in Südafrika
Mehrere verschiedene Organisationen bieten deutschen Rettungsassistenten die Chance zeitweise in Südafrika zu arbeiten. Ein solcher Einsatz ist eine einmalige Chance, um zu lernen und Erfahrungen zu sammeln. Die Arbeit ist jedoch keineswegs leicht, die Einsatzbedingungen hart und teilweise sehr gefährlich. Dafür kann man in Südafrika innerhalb kurzer Zeit mehr praktische Kenntnisse (insbesondere im Bereich der Traumaversorgung bzw. medizinischer Verfahren wie z.B. der präklinischen Thorakotomie) erwerben als in Europa in mehreren Jahren, sofern dies hier überhaupt möglich ist.
Was gibt es zu beachten?
Beim Einsatz in Südafrika steht die eigene Sicherheit an erster Stelle. An vielen sozialen Brennpunkten ist es nicht ungewöhnlich, dass die Mitarbeiter der Rettungsdienste selbst zu Opfern krimineller Übergriffe werden. Daher kann ein Einsatz unter Umständen nur unter Polizeischutz erfolgen.
Auf jeden Fall sollten der Rat und die Anweisungen der erfahrenen südafrikanischen Kollegen befolgt werden, weil diese sich mit den lokalen Bedingungen bestens auskennen. Gute Englischkenntnisse sind Voraussetzung, genügen aber häufig dennoch nicht für eine problemlose Verständigung, denn Südafrika hat elf offizielle Landessprachen. Viele Menschen sprechen nur eine der afrikanischen Sprachen oder Afrikaans, eine Sprache, die aus dem Holländischen stammt. Grundkenntnisse darin sind ein unschätzbarer Vorteil.
Da es immer wieder vorkommt, dass Paramedics im Einsatz getötet werden, hat ER24 eine Kampagne unter dem Titel STOP KILLING OUR PARAMEDICS! gestartet.
Film: Tell me and i will forget
Natürlich habe ich auch zu diesem Thema wieder einen spannenden Film für euch ausfindig gemacht. Die Reportage begleitet Paramedics aus Pretoria und Johannesburg bei ihrer Arbeit, zeigt die Herausforderungen denen sie sich jeden Tag auf’s Neue stellen müssen und gewährt Einblicke in das Leben in Südafrika.
Leider ist der Film nur in englischer Sprache verfügbar! Für alle die der englischen Sprache mächtig sind, ist der Film jedoch äußerst empfehlenswert…
Es muss ja schon schlimm sein, in Deutschland keine Kompetenzen zu haben. Dafür muss man dann nach Südafrika fahren, weil man dort mal so richtig arbeiten darf.. so mit Thorakotomie und so. Sorry aber da wird mir schlecht!! Und genau so Dinger sind es, wieso in Deutschland so ein schlechtes Bild vom Rettungsdienst gezeichnet wird.
Schöner facettenreicher Bericht. Danke sehr!
Hallo.
@alltagimrettungsdienst: Ich finde deine Aussage etwas überzogen. Ich glaube nicht das es in der Aussage “ Ein solcher Einsatz ist eine einmalige Chance, um zu lernen und Erfahrungen zu sammeln.“ darum gegangen ist, dass man sich in SA als deutscher Rettungsassistent austoben soll. In diesem Land wird nun mal mit einem Paramedic System gearbeitet und die Fallbilder unterscheiden sich deutlich zu denen in Deutschland. Ich denke für jemanden der gerne in einem internationalen Umfeld arbeiten möchte, ist dies wirklich eine gute Möglichkeit dazuzulernen. Womit ich auch schon bei meiner Frage bin:
Gibt es denn die Möglichkeit an ein paar Adressen dieser verschiedenen Organisationen zu kommen? Derzeit bin ich als HEMS im Kosovo eingesetzt und suche nach einer Möglichkeit mich international noch etwas Weiterzubilden.
gruß
die Quitte
Coller Bericht, welcher sich sehr mit meinen persönlichen Erfahrungen damals deckt. Im 2002 durfte ich im Rahmen meiner Ausbildung zum Rettungssanitäter (Schweiz) für sechs Wochen nach Kap Stadt. Ich habe damals den wahrscheinlich ersten Blog während dieser Zeit geführt.
Ich habe nun alle diese Bericht wieder aufbereitet auf einer neuen Website.